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Lords of the Brocken - Die Gefährten (1)

Es gibt nur einen Berg, sie zu knechten, sie in den Sturm und in die dunklen Höhen des Harzes zu leiten! Doch gibt es zwei kleine Haubitzen, die sich dem Kampf gegen Harzon in den Weg stellen. Christian & Michael aus dem Altmarkland bilden einen Pakt, um gegen die geballte Macht des Sturmberges anzukämpfen. Zusammen sind sie die Gefährten.

Meine Spontanität zwingt mich an einem gewöhnlichen Dienstag zu einer maßgeblichen Schnapsidee. Ich will raus aus der Altmark und beschäftigte mich mit höheren Bergen als den 20 Meter hohen Kakaoberg in Seehausen (meiner Heimatstadt). Doch wohin? Ich habe mir vor einiger Zeit in Stendal auf dem Weihnachtsmarkt allerlei Inspirationen eingeholt. Es sollte etwas in den deutschen Gefilden sein, da es auch nur einen Trip von einem, bis maximal zwei Tagen werden sollte. Auf dem Weihnachtsmarkt gibt es zigfach Broschüren über das Erzgebirge, was mir völlig ins Auge stach. Es gibt genügend Kartenmaterial mit exzellenter Wanderwegsbeschreibung.

Von Seehausen bis Magdeburg vergeht die Zeit wie im Flug. In gefühlt 15 Minuten erreichen wir Magdeburgs Hauptbahnhof und ich suche schon die erste Toilette auf. Am Vortag sind wir in Wittenberge lecker Burger essen gefahren und ich hatte mir einen grandiosen Chilli- und Fischburger geholt. Diese fordern augenblicklich ihren Tribut. Ich gebe der Toilettenreinigungskraft 2€. Ich hole mir Wattwürmer! Mit der HEX geht es weiter nach Ilsenburg. Der Zug ist proppe voll und wir sitzen auf dem Boden. Christian links & Ich rechts, jeweils ein Bier in der Hand. Da kommt ihm aus dem Nichts eine geniale Idee. Christian meint mit mir eine Wette machen zu müssen. Sprich: Wenn wir einen Bahnhof erreichen, soll derjenige in den kommenden Gaststätten oder Kneipen jeweils einen ausgeben, auf dessen Seite der Ausstieg ist. Wenn es also hieß: „Ausschtieg ün Fohrdrüschtung Röchts!“, bin ich derjenige, der einen ausgibt. Ein genialer Auftakt.


In Ilsenburg angekommenbiegen wir in das erste Gasthaus ab, das wir sehen. Wir benötigen Butter, denn Christian will uns am Morgen Pfannkchen machen. Die Eier werden uns für 20 Cent Aufwendung ausgehändigt. An der Statdinformation sagt uns eine junge Dame, dass wir zum Ranger-Haus gehen sollen, da die Wege stark verreist sein sollen. Vorher gibt es einen 56%igen Schnaps in der Kneipe. Er zündet das Teufelszeug an und ich soll es in den Mund nehmen und auf Ex trinken. Ich bin doch kein Feuerschlucker! Ich hauche es kurz vor oralem Eintritt aus & probiere das Schmiedefeuer. Meine Geschmacksknospen sind nach dem Kosten dermaßen stimuliert, dass mir die üblichen Worte wie „Boah“ „Geil“ „Hammer“ und „Meine Fresse“ aus dem primär aktiven Atmungsorgan rausrutschen. Es entfaltet sich ein samtiger Geschmack mit einer Note von Zimt. Eine Art Fusion von Dos Mas und Fläminger Jagd. Wir beide stoßen an und kippen es hinter unsere Rachen.

 


Leicht angetüdelt gehen wir zum Rangerhaus und bekommen dort die Informationen, dass der größte Teil des Weges eisfrei ist. Wir freuen uns riesig. Es soll gegen Abend  regnen, was uns bestens ausgestattet nicht stört. Der Weg führt uns durch hohe Abhänge hinauf zum Brocken, klangtechnisch untermalt von dahinplätschernden Rinnsälen, Bächen & der Ilse. Der Aufstieg ist super entspannt. Wir machen nach einigen Minuten eine erste Rast an einer Hütte und kochen uns Tee. Ich bringe den ersten Waldgang hinter mich. Verdammte Hamburger! Wir treffen auf allerlei Leute, womit wir Anfang nicht gerechnet haben. Höhenmeter um Höhenmeter erreichen wir die Schneegrenze, die geschätzt bei 800 Meter anfängt. Nicht so schön ist der letzte Abschnitt, der mit Panzerplatten ausgebaut ist. Die Platten sind mit feinem Schnee bedeckt. Darunter befindet sich pures Eis und wir kommen unkontrolliert ins rutschen.

Langsam neigt sich der Tag dem Ende. Wir kommen auf 900 Höhenmeter an und überlegen, ob wir noch weiter gehen sollen. Wir brauchen einen Schlafplatz und in 1 1/2 Stunden ist es dunkel.  Desto höher wir auch kommen, umso stürmischer wird es. Bei Orkanstärke im Wald zu schlafen ist purer Leichtsinn. Auf der freien Fläche wird das Zelt mit voller Wucht flankiert. Wir kommen glücklicherweise um 15:30 Uhr an der Hütte namens „Exo“ an und errichten unser Basislager.

 

Die Notunterkunft ist überall löchrig und der Wind pfeift mit beißender Kälte hindurch. Im Schnee machen machen wir uns  auf die Suche nach trockenem Holz. Da kommt die begründete Frage auf: „Hm, im Schneel trockenes Holz finden? Was für Vollidioten!“ Es ragten Äste aus dem Schnee hervor, die uns als geeignet erscheinen. Christian, der schon mehr unterwegs war als ich, gibt mir Tipps, kleine Papierfetzen von Toilettenpapier und Verpackungen als Grundlage zu nehmen und darüber kleine Ästchen zu legen. Erstmal angezündet konnte der Puste-Spaß beginnen. Wir brauchen Glut, um das entfachte Feuer am Leben zu erhalten. Nach gut 15 Minuten einatmen von dickem, weißem Qualm sieht die Hütte aus, als ob wir kiloweise Gras geraucht haben. Die Augen werden durch den Qualm immer gereizter und sind knallrot. Die Qualität des Feuer wird besser und wir legen dickere Äste herum, um sie zu trocknen, doch vergebens. Wir experimentieren eine Stunde lang übermotiviert herum, doch es bringt nichts. Die Temperatur hebt sich in der Zeit um einige Grad, aber der Nutzen-Effekt ist nicht da. Was bringt uns all die Wärme, wenn wir nachts ersticken. Das Ich-habe-Feuer-gemacht aus- und den Zwiebel-Modus wieder anmachen.

Wir sitzen vollgequalmt auf der Bank und lauschen der Musik vom MP3-Player, bis aus der Ferne zwei Lichter auf uns zukommen. Wir beide dachten uns: Ach-Du-Scheiße, hoffentlich sind das keine Ranger. Sie kommen näher & näher, bis ein Kopf zu uns hindurch schaut und sagt „Rangerstreife, was machen sie hier?“ Danach kommt der Nächste rein, bis sich heraus stellt, dass es keine Ranger, sondern Wanderer wie wir sind. Es sind noch sechs weitere Nachzügler auf dem Weg zu uns. Jetzt wird es bestimmt warm, so eng wie es hier ist. Nach einiger Zeit treffen sie alle ein. 8 Leute, wie sie besser gar nicht zusammen passen können. Sie kommen unten aus dem Tal, wo es augenscheinlich aus Eimern geschüttet hat. Ihre Sachen sind wasserdurchtränkt und fangen an zu dampfen. Es werden ein paar Joints gebaut und dazu 5% Bier getrunken. Was ein geiler Verein und alle um die 30-35 Jahre alt. Nach einer Stunde machen sie sich leider wieder auf.  Sie wollen tatsächlich noch im Dunkeln auf die Brockenspitze, dann wieder hinunter und sich mit einem Taxi abholen lassen. Wir hoffen, dass sie es bei dem Wetter allesamt schaffen. Nachdem alle weg sind, veranstalten Christian & Ich eine Schneeballschlacht, um uns vorm Schlafen gehen nochmal aufzuwärmen. Jeder Treffer von ihm sitzt (leider), wobei ich die meisten versemmel. Wir schlüpfen in unsere Schlafsäcke. Ich schlafe fest wie ein Stein und werde selten wach. 

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