Camping Gone Wild (#youdidnotsleepthere)

Eigentlich hätte ich zu meinem Blogpost "Aus Liebe zur Natur" ausführlich weiter schreiben können. Aber das hier bedarf dann doch einen Extra-Eintrag. Es geht um das Zelten an ungewöhnlichen Orten. Orte, an denen man sich nicht mal trauen würde einen Fuß darauf zu setzen. Dennoch gibt es einige Kollegen, die dort wirklich gezeltet haben! Oder doch nicht? 

Machen wir uns nichts vor. Wir alle suchen, wenn wir zelten gehen wollen, nach einem geeigneten Platz. Dabei stehen folgende Kriterien zur Auswahl, die den Schlaf in der Nacht so erholsam wie möglich machen:

  • ausreichend Platz, damit man das Zelt gescheit aufbauen kann
  • der Platz sollte eben sein, weil man ansonsten nachts ungewollt in Kontakt mit seinem/seiner Wanderpartner/in kommt
  • eine weiche Stelle, die mit Gras bewachsen ist oder zumindestens mit Erde bedeckt
  • möglichst an keiner exponierten Stelle, wo der Wind mit voller Wirkung das Zelt flankiert
  • die Aussicht KANN, MUSS aber nicht zwingend die Schönste sein, denn 5 Meter sieht man trotzdem noch die 3.000er
  • neben keinen aktiven Vulkan, Felsvorsprung oder auf einem Grat schlafen.Wir sind immer noch semiprofessionelle Wanderer und heißen nicht David Lama.

Der Instagram-Account youdidnotsleepthere hat sich Denjenigen verschrieben, die genau diese Kriterien nicht als ihre wünschenswerteste Zielerfüllung ansehen. Stattdessen sieht man hier öfter Bilder von Leuten, die ihr Zelt auf Geröll, an extremen Felsvorsprüngen oder an kantigen Graten aufgebaut haben. Ob sich die saftige, weiche Wiese ein paar Meter daneben befindet, scheint keine große Rolle bei der Platzfindung gespielt zu haben. Es ist hierbei jedem selber überlassen, ob er das für glaubwürdig hält oder nicht. Selbst, wenn das Ganze nur gefaked sein sollte. Mit rund 112k Followern ziehen die mutmaßlichen Falschzelter ein großes Interesse auf sich. 

Heutzutage scheint es vielen nicht mehr extrem genug zu sein, draußen im Freien zu zelten. Machte man sich nach Filmen wie "The Blair Witch Project" oder "The Hills have Eyes" so dermaßen in die Hosen, wenn man Nachts mit Fahrrad an einem finsteren Wald vorbei kam, wenn man gerade von einem/einer Freund/in zu den Eltern nach Hause ist, so sucht man jetzt den ultimativen Thrill. Als Beweis dafür dient ein Foto davon. Was für eine Beweiskraft ein Fotos haben kann, zeigte uns damals Colin Powell, der  dem UN-Sicherheitsrat die (nachweislich!) gefälschten Fotos von den Massenvernichtungswaffen im Irak vorlegte. Mit dem feinen Unterschied, dass die Fotos von U.S. Außenminister Powell Krieg & Destabilisierung im Nahen Osten gebracht haben und den mutmaßlichen Risiko-Zeltern ein kräftiges: "Respekt!!!" und viele Kudos².

²Kudos (von griechisch: κῦδος (kydos) für Ruhm, Ehre) ist: ein vor allem im englischen Sprachraum verbreiteter Ausruf der Anerkennung, vergleichbar mit dem französischen Chapeau!

Ich nehme mir das Recht heraus, sagen zu können, wie man an sich zeltet, wenngleich ich noch nicht so viel Erfahrungen habe.

  1. Ein Zelt dient für mich als Aufbewahrungs-, Rückzugs-, & Schlafraum
  2. Es ist ein sicherer Ort, der mich vor exogenen Einflüssen so gut wie möglich schützen soll (Regen, Sturm, Sonne)
  3. Wenn das Wetter schlecht sein sollte, ist es vollkommen unnütz darüber nachzudenken, wie toll die Aussicht doch sein soll. Meine Hoffnung ist dann die, dass das Zelt stabil steht und wasserdicht ist.

Was ist auf dem Bild zu sehen:

 

Drei Zelte, die auf dem Preikestolen in Norwegen stehen. Alle drei sind mit einem Überzelt aufgebaut, so dass es bei Regen innen trocken bleibt. Sehr vorbildlich.

 

Fragen die für einen normal denkenden Wanderer aufkommen:

 

Wie sind die Zelte abgespannt? Ist es nicht etwas unbequem da auf diesen unebenen Platten zu zelten? Wo man doch weiß, dass schon die Prinzessin auf der Erbse nicht gut schlafen konnte, obwohl sie 10 Matratzen unter sich hatte. Kann man aus dem Zelt heraus überhaupt was sehen? Es ist doch geschlossen?! Warum sollte ich unbedingt dort mein Zelt aufschlagen? Und was ist mit der Person da an der Ecke? Hat sie Selbstmordabsichten? Oder will sie fototechnisch nur das Ende der asymetrisch zulaufenden Linien des Preikestolen sein? 

 

Antworten könnten sein: 

 

Die Zelte sind nicht abgespannt, wie im üblichen Sinne, sondern wurden mithilfe von großen Steinen im Innenzelt an den Ecken fixiert, so dass sie nicht wegfliegen können. Die Zeltmenschen sind keine Prinzessinnen, sondern harte Männer & Frauen. Zudem verfügen sie über die neuesten, gesponserten Luftmatratzen, die die Matratzen der Erbsen-Prinzessin, wie das Nagelbett eines Fakirs erscheinen lassen. Das Einzige was sie sehen werden ist eine weiße oder rote Wand, wenn sie sich umgucken. Nach eigenem ermessen behaupte ich das, selbst wenn man eine Seite des Zeltes öffnet, sieht man nur den Boden, eventuell etwas Berge und dann den weißen Himmel. Bei allen gängigen Zelten sind die Ein- bzw. Ausgänge mittig gesetzt. Liegt man also im Zelt, muss man sich hinsetzen oder liegend zusammenkrümmen, um alles draußen zu sehen, was auf Dauer recht ungemütlich ist. Warum nicht woanders zelten, wo es idealer ist? 

 

  • Die Zelte wurden extra für die Fotos aufgebaut. Die Happy Socks scheuern sowieso schon an den Hacken. Nachdem der Spiegel von der Kamera herunter geschallert ist, heißt es nichts wie runter von diesem Ding. Die Bucket-List ist lang.
  • Sie waren gar nicht dort. Alles wurde per CGI dort eingefügt. Das Leben ist nicht real. Es ist die Matrix.
  • Die Zelte sind gesponsert und wurden einfach stehen gelassen. Überhaupt ist ihnen die Natur sowas von egal, solange die Kohle stimmt. Sie wurdem mit Helikopter abgeholt und zum nächstbesten, gesponserten 5-Sterne-Hotel geflogen.
  • Sie übernachten tatsächlich dort, sind aber so früh am Ziel angekommen, dass sie sich mit Ich-stehe-alleine-in-dieser-riesigen-und-groben-Natur-Fotos die Zeit vertreiben. 

Nun ertappe ich mich nicht selten dabei, dass ich das Zelt an ungünstige Orte aufstelle. Sei es wegen der Unvernunft, dem kalkulierbaren Risiko oder um generell Pepp in die Reise zu bringen. Wie ihr hier sehen könnt, habe ich mein Zelt auf einer Sandbank platziert. Das Wetter war super und ich schaute mir die Umgebung genau an. Im Sand zu zelten ist sicherlich nicht das Gelbe vom Ei. Zum einen hat man den feinen Sand, der am Material entlang borstet. Zum Anderen kommt der auch in das Zelt und man hat zu Hause noch mehr Mühe mit der Auf- und Nachbereitung der Materialien. Außerdem war mir zu dem Zeitpunkt gar nicht bewusst, dass dort Ebbe & Flut herrschten. Ich war glücklicherweise zur Zeit der Flut da, so dass sich das Wasser an seinem Scheitelpunkt zurück ins Meer zog. Und das nicht mal wenig. Sicherlich um die 60m oder mehr. Es hätte für mich auch durchaus schlimm ausgehen können. Ich gestehe mir aber selber ein: "Ich bin ein Doppelmoralist, aber..." #ididsleepthere

Warum ich das tat, obwohl nur einige Meter weiter weg eine sicherere Stelle war? Ich weiß es nicht. Ich liebe das Meer und ich mag es, wenn ich ihm ganz nah bin. Als wäre man Eins mit dieser Welt. Hätte ich weiter oben gezeltet, wäre es so indirekt & nicht vollkommen gewesen, so, als hätte ich überhaupt nicht gezeltet. Kein plätschern der kleinen Wellen & keine Erinnerung daran. Ich kann letztendlich nicht sagen, wer nun richtig zeltet und wer nicht. Letztlich erkennt man es halbwegs an der Art des Feeds auf Instagram, ob eine Person wirklich draußen authentisch unterwegs ist oder nur zeltet um Kudos zu bekommen. Hier streiten sich letztendlich die Geister. Grundsätzlich sollte man auf Nummer sicher gehen. Sicherheit geht vor Bekanntheit / Fame.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0