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Die Zugspitze

Wie oft habe ich versucht, überhaupt in die Nähe des höchsten Berges Deutschlands zu kommen? Meist waren die auschlaggebenden Gründe, die zu weite Entfernung (über 700 km), das schlechte Wetter, wenn man spontan meinte, die darauffolgende Woche zu fahren oder aber einfach der Zeitgrund, da ich die meisten Wochenende im Sommer Paare auf Hochzeiten glücklich mache und sie mich. Doch solange man nicht aufgibt und das Ziel vor Augen hat, ist alles irgendwann einmal, und das noch zu Lebzeiten, machbar. 

Die leichteste und schwerste Route zugleich: Reintal & Partnachklamm (21km)

http://www.auf-die-zugspitze-wandern.info/

 

Altidude

Zugspitze 2962m / 9718ft

Garmisch-Partenkirchen 708m / 2323ft

 

Erstbesteiger* 

Josef Naus im jahre 1820

*voraussichtlich, da der DAV herausgefunden hat, dass es schon vor ihm Erstbesteiger ab

 

Parkmöglichkeiten

Große Olympiaschanze (Parkplatz)

Karl- und Martin-Neuner-Platz 

82467 Garmisch-Partenkirchen

 

 


Tipp:  Es gibt direkt vor dem Stadion einen gebührenpflichtigen Parkplatz. Diesen kann man aber ganz leicht meiden, in dem man einfach weiter durchfährt, bis zum Stadion hin und dort sein Auto abstellt. Ich möchte hier bekräftigen, nicht dazu aufrufen bzw. motivieren zu wollen, bestehende Vehrkehrsvorschriften zu ignorieren bzw. nicht einzuhalten, denn jeder ist als Kraftfahrzeugführer selbst dafür verantwortlich.

Ich nehme schlaftrunken und benommen das Alarmgeräusch meiner Armbanduhr wahr und versuche, erkennbar langsam, meine Augen zu öffnen. Es war 04:45 Uhr in der Früh und bitterkalt. Noch kurz bevor ich schlafen ging, zeigte mein Smartphone die Temperatur für die kommende Nacht an, die ich im Kofferraum meines Autos verbrachte. Minus 7°C und keinen Grad wärmer sollte es die nächsten Nächte werden. Eingemurmelt in meinem Daunenschlafsack lag ich da, alles bis oben hin zugeschnürrt und isoliert. Keine Wärme konnte nach außen dringen. Nur die Kälte versuchte sich durch jeden noch so kleinen Schlitz, so schnell wie möglich, hindurch zu kriechen und meinen Körper herunter zu kühlen. Bis zum Kältetod. Es sind nicht wenige, die sich in diesen Tagen den falschen Schlafsack zugelegt haben und nahe der Hypothermie, als kurz vor dem Erfrieren des Körpers waren, der normalweise nur Temperaturunterschiede, sowohl nach unten als auch nach oben, von nur 5-6 Grad Celsius aushält. Alles andere kann tödlich enden. Komplett nackt lag ich dennoch nicht in meinem gemütlichen Refugium, sondern hatte noch eine leichte Isolationsschicht an. Den sogenannten First Layer, als eine hauchdünne Funktionsschichte, die z.B. Schweiß abtransportieren, aber Körperwärme speichern kann. 

 

Nachdem ich geweckt wurde, war es draußen still. Man hörte kein einziges Geräusch. Nur der leicht herabfallenden Schnee, welcher sich langsam und unbekümmert auf das Autodach legte. Und das tat Dieser schon seitdem Ich von der Hochzeit am letzten Vortag in Heidelberg aufbrach und nach Garmisch-Partenkirchen fuhr. Vorher machte ich noch einen kleinen Abstecher zum Eibsee und übernachtete an einem der Parkpätze vor einem Waldstück, am Bach, in der freien, wunderschönen Natur. Teilweise kniehoch stapelte sich Schneekristall auf Schneekristall. Eine ungehörige Menge an gefrorenem, weißen Gold überzog die Alpenlandschaft. Man konnte den gesamten Vortag nicht mal die Berge und insbesondere die Zugspitze erkennen, weil der Niederschlag so hoch war. 

Meine Arme lagen eng am Körper an. Das Erste, was ich also tun wollte war, den Reisverschluss aufzubekommen, was sich manchmal als äußerst schwierig* herausstellt.

Entweder man ist gut vorbereitet, weil man ein gut disziplinierter & durchorganisierter Mensch ist oder aber man hat den Grundwehrdienst mitgemacht. Bei mir war letzteres der Fall und der Alarm-Stuhl war mir dadurch mehr als bekannt. Die Sachen lagen also gut prepariert auf der Kofferraumablage, griffbereit, falls man schnell los musste. Sei es aus einem Notfall heraus oder einfach der Dinglichkeit wegen, nächtlich heraus zu wollen, weil man Harndrang hat. So wie man sich am Vortag aus seinen Sachen herausschält, wie aus einer Zwiebel, so pellte Ich mich auch wieder herein und das ziemlich zügig. Obwohl die Bewegung durch das schnelle Anziehen vom Körper her da war, kühlte man dennoch mehr schnell als recht aus und fing leicht an zu zittern. Kurz bevor ich schlafen ging, öffnete ich die Heckklappenluke meines Autos (Man kann das Sichtfenster der Heckklappe unabhängig von letzt genannter öffnen), um schon mal eine Probenacht vor der richtigen Kälte auf dem Berg zu testen. Desweiteren auch, damit sich das ganze Kondenswasser nicht im Auto sammelte. Besonders an den Scheiben und dort zufror.  Zu den Vorbereitungen am Vorabend hieß es auch das Handy bzw. Smartphone auszuschalten. Nicht etwa, weil man sich nicht ungestörter fühlen wollte (was für mich auch einen Grund auf einer Wanderung darstellt), sondern, um ganz simpel Energie zu sparen. Klar gibt es Powerbanks und Solarenergiezellen als Kompaktversion. Doch erstens, ist jedes Gramm Gewicht auf einer so langen Wanderung, die auch noch 2200 Höhenmeter vor sich hat, einfach zu viel und eine Belastung für den eigenen Körper. Auf die Solarenergie konnte man sich auch bei bewölktem Himmel nicht zu sehr verlassen. Ich machte mein Smartphone nur an, wenn es mir wichtig erschien, z.B. für Selfies, denn was noch größer als die Zugspitze ist, ist das Selbstbewusstsein des Wanderers 2.0 .

 

*Das Reisverschlussband in die gewollte Öffnungs- oder Schließrichtung zu ziehen und diesen nicht gerade hoch zu halten, sondern so nah wie möglich am Schlafsack selbst. Dadurch ergibt sich eine andere Kraftrichtung bzw. der Wiederstand wird ganz einfach geringer, in dem man den Winkel zum Schlafsack hin auf 0/180° neigt.*

Mit der Zeit wurde mir wärmer. Eingepackt in 3 Schichten wagte ich mich nach draußen. Es war noch ziemlich duster draußen und meine Kopflampe durfte ihre Funktion unter Beweis stellen. Ich knipste das Rotlicht an und ging einige Meter hinunter bis zum Bach. Nach jedem Schritt den ich tat, sprudelte aus mir die Freude eines Kindes. Freuten wir uns nicht alle auf den ersten Schnee im Winter? Das knacken & knartschten unter unseren Stiefeln, wenn der perfekte Backschnee gerade unter unserem Gewicht zerdrückte.

Ein Gefühl, wie aus Kindheitstagen, kommt dann in einem hoch, wenn man denn damals auch die Gelegenheit  dazu hatte. In meiner Hand befand sich eine 0,5 Liter Trinkflasche, die am Bach mit bestem Quellwasser aufgefüllt werden wollte. Eiskalt und kristallklar sprudelte es in die Flasche und füllte Sie blitzschnell auf. Sogenannte "Camel Bags", also Trinkbehälter, hatte ich nicht bei, da ich wusste: Es liegt viel Schnee & die Bäche sprudeln geradeso über vor Wasser.  Zurückstapfend zum Auto kam mir wieder der Gedanke, den ich im Winter versuche so weit wie möglich auszublenden. In den kalten Monaten hatte mein Peugeot das Grundbedürfnis, schon ab dem Gefrierpunkt von 0°C herumzuspinnen. Draußen waren aber immer noch -6°C. Ich bekomme also recht schnell die Angst, mein Vorhaben schon Hier und Jetzt scheitern zu sehen. Wenn das Auto nicht anspringen sollte, konnte ich nur zusehen, schnellstmöglich Hilfe für einen Fremdstart zu bekommen. Ungeduldig setzte ich mich ins Auto. Es war kurz vor halb 6 Uhr in der Früh. Ich steckte den Zundschlüssel in das dafür vorgesehene Loch und drehte bis zur Zündung herum, um ihn, normal für einen Diesel, vorzuglühen. Ich drehte danach bis zum Anschlag und da war es. Dieses Geräusch. Ein Jauchzen und Jämmern aus dem Motorenbereich. Wäre mir jetzt warm gewesen, würde mir glatt der erste Schweißtropfen die Stirn herunter perlen, aber mir stockte eher der Atem und ein leichtes Übelkeitsgefühl stellte sich ein. Ein halbes Jahr zuvor erlebte ich das gleiche am Ostseestrand, als ich bei -12°C im Auto übernachtete. Erst nach mehrmaligen Vorglühen und Zünden sprang der Motor an. Ich war also zugleich nervös und dennoch, gleichzeitig geduldig. Nach ungefähr einer Minute vorglühen und 3-4 Versuchen, sprang mir ein Stein vom Herzen und der Motor endlich an. Alles zur gleichen Zeit. Auch wenn man bei einer kleinen 1-Person-Expedition an alles denkt, aber manche Sachen kommen so unvorhersehbar, dass man sie, aufgrund von wenig Erfahrung, nicht einkalkuliert.

Auf nach Garmisch-Partenkirchen. Auf zum Start meiner kleinen, aber dennoch großen Reise. Ganz alleine. Irgendwo Leichtsinnig & auch froh darüber, dass nicht schlimmeres passiert ist, obwohl genügend Gelegenheiten da waren. Mit dem Auto auf dem finalen Parkplatz, nahe der berühmten Skisprungschanze der 4-Schanzen-Tournee, packte Ich meinen Rucksack mit den Sachen, die wirklich wichtig für Mich waren. 

Deckelfach

Bargeld

Smartphone

2 Wechselakkus

4 Schokolade (20g)

Kopflampe (schwach)

Powerbank für Navi

Merinowollmütze

Lederhandschuhe

Kleine Papierrolle

Ersatzbatterien

Fernauslöser

Wandernavi

Feuerzeug

 

 

 

Hauptfach

Außenzelt

Gestänge + Heringe

Merino Wechselpullover 

2 Paar Wechselsocken

2 Funktionsunterhosen

2 Funktionsunterhemden

2 Dosen Spirelli (á 500g)

Kopflampe (stark)

1 Tüte Parmesan

250g Spaghetti

2 Gläser Pesto

Gaskartusche

Daunenjacke

Gaskocher

 

 

 

 

Bodenfach

Biwaksack

Daunenschlafsack

Aufblasbares Kopfkissen

Inlay Schlafsack

Isomatte

Frontriemen

Kamerhalterung

0,5 Liter Trinkflasche

Spiegelreflexkamera

35mm Objektiv

Seitenfach

Reisestativ

Sonnebrille

1 Mülltüte Klein

Regenschutzhülle

1-Hilfe-Paket

  

Frontnetztasche

Regenjacke

 


Meine Reise begann exakt 06:00 Uhr in der Früh, so wie Ich es mir vorgestellt hatte. Ein guter Start einer Reise kann oft über Erfolg & Misserfolg entscheiden. Selbst, ob man in der Nacht gut oder schlecht geschlafen hat. Der Schlaf wirkt sich üblicherweise auch über die Konzentration, gerade beim (hoch-)alpinen wandern aus. Hier ist jede Sekunde gefragt, in der man sich keine groben Fehler leisten kann. Wenn man rutschige Passagen geht und kurzzeitig in Gedanken woanders ist, wegrutscht und einen Abhang hinunterfallen und tödlich verunglücken kann. Ich, meinerseits, hatte aber einen sehr guten Schlaf und war völlig motiviert den Gipfel zu erklimmen. Das Wetter an diesem Tag war nicht sonderlich besser geworden. Es war aber windstill und der Niederschlag, in Form von Schnee, hatte sich nachts über eingestellt. Noch mehr Schnee hätte nicht nur die Wege unpassierbar gemacht, sondern wäre auch eine ernst zu nehmende Gefahr gewesen. Die Gefahr von Lawinen bestand sowieso, auch wenn das Wetter das nicht unbedingt her gab. Ein gewisser Respekt sollte also bei jeder alpinen Wanderung und grundsätzlich vor der Natur bestehen, egal wo man sich befindet. 

 

Ich trottete los. Mein erstes Etappenziel war der Eingang zur Partnachklamm. Eine wunderschöne Klamm, die die reißende Partnach inne hat, umgeben von steilen, abfallenden Hängen. Hier sollte Ich zum ersten Mal die rohe Gewalt der Natur zu spüren kommen. Wer die Partnachklamm passieren möchte, bezahlt für gewöhnlich eine Art Wegezoll, der nicht sonderlich hoch ist, aber man kann ihn dennoch umgehen. Wer frühzeitig die Wanderung beginnt, kann sich immerhin 4€ sparen. Das liest man zumindest auf der Website. Ist man hier vor Ort, steht dort auch, dass man ein Ticket bekommt, das man bei seiner Rückreise vorzuzeigen hat. Blöd, wenn man früh genug loszieht und keines hat und genau dann zurück kommt, wenn der Kassierer in seinem Häuschen auf einem wartet. Für mich ging es aber nicht grundlegend um das Sparen, sondern das Gesetz der Zeit zwang mich geradezu so früh loszugehen. Die ersten 30-45 Minuten begegnete Ich niemanden auf dem Weg zur Zugspitze. Bis auf eine Ausnahme sollte das sowohl für meinen Hin-, als auch meinen Rückweg gelten. Einsam & Verlassen in den Alpen.

Unvoreingenommen betrat ich den Weg in die Partnachklamm, welcher mich in das Reintal führen sollte. Vorweg hatte ich mich relativ nötig über die Wanderrouten informiert, weil dies tat ich schon einmal ein Jahr zuvor. Es blieben ohnehin nur 3 Routen über. Eine führte über Österreich und hätte für mich zu lange gedauert. Die andere Route war nur bis Ende Oktober offen und es war schon Anfang November. Mir blieb also nur der 21km lange Weg ganz nach oben. Rein rechnerisch malte ich mir durchschnittlich 2 km/h aus, also ungefähr 10 Stunden bis zum Gipfel und peilte meine Ankunftszeit zwischen 16:00 - 17:00 Uhr an. Ein Trugschluss wie ich später feststellen sollte. Immer noch mit Kopflampe bewaffnet, legte Ich Meter um Meter in der Klamm zurück. Durch das aufgewirbelte Wasser in den Stromschnellen der Partnach, blieb noch mehr Feuchtigkeit an den Wänden kleben, so dass sich die kleinen Wasserpartikel noch schneller sammelten und es von oben in Massen herunter tropfte, wenngleich das Wegesystem sehr ausgeklügelt in den Berg eingearbeitet war. Man hatte also viele Tunnel zu durchqueren. Ein leicht modriger Geruch kroch mir in die Nase. Gerüche, die man in der Großstadt eher als Übel wahrnimmt, weil sie meistens keinen natürlich Ursprung in dem Sinne haben, haben hier im Gebirge eine vollkommen andere Wirkung. In der Partnachklamm gab es jetzt schon Passagen, die mich ins Schwitzen brachten, auch wenn ich nur 14 Kg auf dem Rücken hatte, war dies, im Zusammenhang mit dem Antieg, schweißtreibend. Alles in Allem hatte ich mein Funktionshemd an, eine Fleecejacke und darüber meine nicht atmen wollende Regenjacke, die mich vor der Nässe von außen schützen sollte, was sie auch tat. Sie konnte aber nicht vor der Nässe, die von innen kam, schützen. Nach nur einigen Metern zog ich die Jacke bereitwillig aus, denn so stark tropfte es nicht mehr von der Decke und zur Not hatte ich ausreichend Wechselsachen bei. Regenjacke verstaut, konnte ich jetzt perfekt temperiert meine Reise fortsetzen. Als ich noch im Dunkeln in der Klamm im wahrsten Sinne des Wortes eintauchte, beendete ich Diese bei eintretender Morgendämmerung. Das Schwarz der Nacht wich einem wundervollen, dunklem Blau, das dem Tag Leben einhauchte. Hier, in der Natur, weiss man sowas viel mehr zu schätzen, als in der Stadt. Denn in der Natur heißt Licht auch gleichzeitig Leben. Zumindest für uns Landlebewesen. Es bringt auch gleichzeitig die Wärme mit sich, nach der man sich, nach einer kalten Nacht, schon so lange sehnt. Ich grinste schweigsam vor mich hin und hinein. Ich war in dem Moment wieder so glücklich & froh über meine, doch relativ spontane Idee hierher aufzubrechen. Und es hatte sich schon so gelohnt, obwohl ich noch nicht einmal Ansatzweise die Berge zu sehen bekam, bis zu jenem Zeitpunkt, in der Ich die Partnachklamm verließ. Innerlich hatte ich auch ein Ziel vor Augen und bis dahin war es noch lang und letztendlich mit extremen Strapazen verbunden, von denen Ich noch nicht die leiseste Ahnung hatte.

Der Ausgang aus dem Tunnelsystem gab mir eine wunderschöne Sicht auf den Übergang von Herbst & Winter. Die Nadelbäume waren mit Schnee bedeckt und nur leicht schaute das dunkle Blau-Grün heraus. Genauso zaghaft, aber viel farbenfroher taten die Laubbäume es den Tannenume gleich. Ich stand vor einer riesigen Leinwand und nur die besten Naturmaler ála Robert Norman "Bob" Ross schienen sich hier an ihr Werk gemacht zu haben, nur um mir zu zeigen, was sie drauf hatten. Eine wahre Filmkulisse für alle Sinne. Ich machte eine kurze Pause, um, wie auf all meinen anderen Reisen, alles so gut wie möglich in mich aufzusaugen.

Ich setzte meine Reise fort. Von hier an ging mein Blick auch kaum noch auf meine Uhr. Mein Tempo blieb gefühlt immer dasselbe und auf einer Wanderung entscheidet man sich auch irgendwo, sich von der Zeit zu trennen, es sei denn sie ist lebenswichtig, wie eine Wanderung auf über 8000m Höhe, in der Todeszone. Einige Brücken waren zu überqueren und Serpentinen schlängelten sich den Berg hinauf. Auf meinem Weg in das Reintal genoss ich absolute Stille. Es war perfekt. Der Himmel war bedeckt und es war absolut windstill.

 

Selbst in den Tälern bzw. auf den Pfaden an den Tälern entlang war kein Wind. Nichts. Die Schneeflocken fielen einfach herunter, ohne ihre Richtung seitwärts zu verändern. Dazu kam, dass es noch trockende Kälte war. Es fühlte sich bei weitem nicht so kalt an, wie 4 Grad Celsius in der Stadt bei einer Luftfeuchtigkeit von mehr als 80%. Die negativen Temperaturen waren perfekt zum wandern. Gerade ich, der sonst schwitzt wie ein menschlicher Wasserfall und das schon bei einstelligen Temperaturgraden, genoss das sichtlich bei der Wanderung. Weder fror Ich, noch schwitzte Ich. Das schwitzen bestärkte nur den Flüssigkeitsverlust, den Ich mit der Aufnahme von (Quell-)wasser hätte ausgleichen können. Wenn man sehr viel von diesem Wasser trinkt, kühlt man den gesamten Körper sehr schnell aus. Ein Effekt davon wären Bauchschmerzen und die dann heftig. Zweitens, versucht der Körper den schnellen Temperaturunterschied auszugleichen, in dem er mehr thermische Energie will. Ein höherer Energieverbrauch ist die Folge und/oder man fängt schneller an zu schwitzen, da der Körper schnell hochtemperiert und man dadurch noch mehr kaltes Wasser trinken will. Ein Teufelskreislauf. 

Wer übriegens die erste Brücke nach der Partnachklamm überschreitet wird auf der linken Seite merkwürdige Gesteinsformationen sehen. Viele Männchen, die unzählbar zu sein scheinen. Jeder Wanderer, der hier vorbei kommt, stellt einen weiteren Stein auf. Diese Steinmännchen sind eigentlich dafür gedacht Wegepunkte darzustellen, wenn man sich mal verlaufen hat. Ungefähr so wie der DNT in Norwegen mit einem großes, rotes "T" den offiziellen Weg markiert. Ich kann nicht mehr genau sagen wann, aber gegen Mittag glaube Ich das Reintal erreicht zu haben. Insgeheim konnte ich mir jetzt schon leicht in den Hintern treten, dass ich das Zelt mitgenommen hatte, welches durchaus 2kg ausmachte, wenngleich es nur das Außenzelt war. Denn auch, wenn die Hütten allesamt in der Zeit geschlossen waren, konnte man sehr wohl und ganz gut auf dem Tritt schlafen, welcher hoch überdacht und aus Holz war. Andererseits konnte man nie wissen, wie schnell sich das Wetter in den Bergen ändert und das tut es ganz Gewiss. Noch verspürte ich seltsamerweise kaum Hunger. Erst einige hundert Meter weiter, gelangte ich in einen Wald. Es kam mir vor wie in einem Märchenwald. Viele Äste & Zweige konnten der tagelangen Last des Schnees nicht standhalten und bogen sich bis auf Brusthöhe hinunter. An anderen Stellen war es durchaus schwieriger und mitnichten gefährlicher, da man die Gefahr hatte, wenn man sie an der Seite passieren wollte, den Abhang herunter zu rutschen bzw. zu stürzen. Einige Male schüttelte Ich die Bäume sanft ab. Tat man dies zu schnell, kam ein riesen Schwall Schnee herunter und fiel einem in den Nacken, obwohl ich diesen schon so gut wie möglich mit meinem Schlauchschal abdichtete. Schlimmer war es, dass der Schnee in den Sucher meiner Kamera fiel und ich alles mühsam heraus pulen konnte. Ich wand mich teilweise auch hindurch, berührte hin und wieder dann doch einen Zweig, was maßgeblich zu einer Kettenreaktion führte und Ich die Flucht nach vorne ergriff. Ich kroch sogar einmal unter einem Baum hindurch. Ob mir das später das Genick brach weiß ich nicht. Ich kann bis heute nur mutmaßen.

Schwere Wolken zogen über die Berge und tauchten Sie in eine mystische & endzeitbringende Athmosphäre. Wie ein Leichentuch legten Sie sich auf die mächtigen Gipfel nieder. Nachdem ich den Märchenwald passiert hatte, bekam Ich mächtigen Heißhunger. Frisch vom Frühstücksbuffet aus Heidelberg hatte ich Nudossi & Nutella bei. Jetzt war ich froh darüber, mir die ergaunert zu haben. Der  Schokoladenaufstrich war knallhart und ich leckte Diese mit meiner Zunge weich. Der Jieper war weg. Ich merkte aber, dass ich alsbaldig was festes braucht, da die Nudeln ja nicht umsonst in meinem Rucksack waren, doch auf einmal rummste es in der Ferne; kurz danach ein zweites Mal. Mir blieb der Atem stehen! Den einzigen Menschen, den ich bis jetzt auf der Tour sah, war ein Ranger mit seinem drolligen Hund. Er erklärte mir, dass die Lawinengefahr gering sei und Ich mir keine Sorgen machen müsste. Der Ranger fand es außerdem sehr sportlich, dass ich zu der Zeit im tiefstem Schnee so eine lange Strecke zurück legen will. Doch, was ich jetzt hörte, lies mir dann doch Angst und Bange werden. Es klang nach einer Explosion und kurz danach rauschte auch etwas hinab. Ich hörte es, denn sehen konnte ich nichts. Obwohl der Himmel schon aufgeklart war und man einige blauen Flecken vom Himmel erkennen konnte, sah ich keine abgehende Lawine. Es hörte sich aber so an, als wäre sie nur einige hundert Meter von mir entfernt. Wie angefesselt blieb ich stehen und merkte wie mein Puls nach oben schoss. Adrenalin durchfloss jetzt mit höherer Konzentration meinen gesamtem Körper. Ein Urinstinkt der Gefahr breitete sich aus. Alleine vom Bauchgefühl her. Mein Kopf hingegen funktionerte sehr rational. Ich meinte zu mir selbst, dass man keinesfalls an einem Wanderweg eine Lawine künstlich auslöst und wenn, dann würde man den Weg auch sicherlich für den Tag sperren. Niemand verlässt sich da auf die Gutgläubigkeit eines Wanderers. Des Weiteren schaute ich mir das Terrain an und neben mir befanden sich keine allzu hohen Berge. Dort lag nicht so viel Schnee, dass eine Sprengung lohnte. Weiterhin schaute ich auf meinem Pfad nach rechts. Selbst, wenn eine Lawine kommen sollte, würde diese über mich hinweg schießen, da sich an dem Pfad eine kleine Mulde befand. Das alles ging durch meinen Kopf in den Sekunden, in denen ich da stand wie ein Baum, doch es passierte nichts. Zum Glück. Einige Minuten später nahm ich wieder ein Rauschen war. Es hört sich wieder an wie eine heruntergrollende Lawine, selbst wenn Ich noch nie eine in Wirklichkeit erlebt hatte, so stellte ich es mir zumindest vor. Es wurde immer lauter. Aber nur, wenn ich vorwärts ging. Gefühlte Stunden später kam ich zum linken Wegesrand und lachte über mich selbst, dass ich so übervorsichtig agierte. Das Geräusch kam von einem Bach, der unten rauschte. Durch die V-Form des Tals, verstärkte sich das Geräusch akustisch. Lieber Übervorsichtig, als nie wieder. 

 

Die nächste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. Der Weg hörte plötzlich auf. Einfach so. Bis dahin war alles Bestens ausgeschildert gewesen bzw. bedarfte keiner genaueren Ausschilderung, weil es nur diesen einen Pfad gab. Doch an diesem Teilstück schieden sich die Geister. Ich zückte mein Navi, welches ich dann tatsächlich das erste Mal so richtig brauchte und dann das: Kein Signal. Wenn ich eines bekam, dann nur bruchstückhaft. Es war mir keine große Hilfe gewesen. Verdammt noch mal! Ich fing an zu fluchen.  

Jedes mal, wenn man sich auf Technik verlassen muss, dann funktioniert die nicht richtig. Ich verließ mich also auf etwas gänzlich Anderes. Seit längerer Zeit verfolgte ich ab einem kleinen Brückenstück, mit Naturpool, eine ungewöhnliche Fährte.  Es sah mir sehr nach einem Hund oder Fuchs aus. Der Spur folgend, fand Ich es anfangs noch belustigend, da ich ja sonst niemanden angetroffen hatte und die Spur fing auch einfach an diesem Teil des Abschnitts an, was für mich auch recht mysteriös war. Dort, wo es also nicht mehr weiter ging, folgte ich der Spur. Durch ein Tal oder eher Mulde, welche im Sommer wie ein breiter Bach zu sein schien. Um die 150-200m breit und mit großen Felsblöcken ausgestattet. Auf dem Boden befand sich noch ein Schild, in das ich die Hoffung steckte, dass es mir den richtigen Weg zeigt. Dort stand nur was auf kyrillisch. Na super! Das Risiko wurde von mir kurzerhand eingegangen. Letztlich folgte ich den Spuren einem kleinem Gipfel hinauf.  Es lag überall Schnee. Man wusste also nicht, auf was man als nächstes trat bzw. auf was nicht. Der Untergrund änderte sich gravierend, als ich den Hügel hinauf ging. Wie große Kieselsteine, drückte sich das Material unter mir weg. Ab und zu passierte es , dass ich den Stand verlor und leicht den Abhang hinunter glitt, auch wenn es nicht viele Meter waren, so waren es genügend, um noch mal in mich zu gehen und umzukehren. Das konnte einfach nicht der offizielle Weg sein. Ich war stetig hin- und hergerissen. Nicht, dass dies schlimm genug gewesen wäre, hing mir die Zeit im Nacken. Ich wusste, dass die Knorrhütte mit die Letzte auf dem Weg zur Zugspitze ist und ich noch lange nicht dort war, wo ich eigentlich sein wollte. Zum Anfangspunkt zurück, wo der Pfad aufhörte, ging Ich in mich und gab noch mal alle Konzentration. Plötzlich sah ich den Pfad auf der anderen Seite circa 200 Meter entfernt, wie er wieder in ein Waldstück führt. Ich freute mich extrem darüber, denn wegen so einer Lapalie wollte Ich nicht die Tour abbrechen. Es macht also durchaus Sinn, nicht überzureagieren und immer wieder in sich zu gehen, sich noch mal zu konzentrieren und vor allen Dingen Ruhe zu bewahren. 

Ich bezweifelte jetzt, überhaupt den Gipfel an diesem Tag zu erreichen. Die Dämmerung setzte gegen 16 Uhr ein und da ich mich in den Bergen befand und der Himmel sehr Wolkenbehangen war, wurde es noch früher dunkel. Es kann nur gegen 14 Uhr gewesen sein, als ich dann gerade einmal die Reintalangerhütte auf 1.366m erreichte. Ich trennte mich fast endgültig von dem Traum, die Zugspitze zu schaffen, obwohl ich schon 8 Stunden unterwegs war und das mit sehr wenig Unterbrechungen, die von mir gewollt waren. Eher zwangsmäßig durch das verlaufen, aber dennoch. Es ist zu viel Zeit verstrichen. Was mich zu dem Zeitpunkt noch mehr zusetzte war der Hunger, den ich jetzt hatte. Ich hatte regelrechten Heißhunger und da bot sich die Reintalangerhütte sehr an. Ich konnte mich auf den Treppenabsatz setzen und zog mir meine kuschelig, warme Daunenjacke an.

 

Aus meinem Rucksack holte ich die Spirellidose, samt geriebenen Parmesankäse & die Gaskartusche mit dazugehörigen Brenner. Endlich was zu essen! Ich schaufelte das Zeug in mich rein. Der Parmesan war ekelhaft, doch das war mir egal. Ich hatte Hunger.  Die Nudeln waren anfangs noch warm/heiß und kühlten innerhalb weniger Sekunden so herunter, dass sie bis zum Boden fast kalt waren, obwohl dieser, durch das brennende Gas erhitzt, immer noch hohe thermische Energie emmitierte. Satt und sichtlich besser gelaunt, schaute ich mir den tollen Ausblick von der Hütte aus an. Es wurden sogar Gebetsfahnen, wie man sie normalerweise aus dem Himalya-Gebirge kennt, zwischen den Bäumen aufgehangen. Ein, wenn ihr mich fragt, sehr spirituelles Bild. Generell hatte man auf weiteren Teilen der Strecke eine einzigartige Weitsicht, selbst wenn man sich im Tal befand. Ein kleiner Mensch zwischen solch, brachialen Bergen ist schon ein Moment für sich und ich genoss Ihn mit voller Aufmerksamkeit & Hingabe.

Mit dem Essen fertig, reinigte ich meinen Spork (Spoon & Fork / Löffel & Gabel) im Schnee und begann damit alle Sachen zusammen zu packen. Ich nahm also meinen Gaskocher, klappte ihne zusammen und lief halbwegs gebückt zu meinem Rucksack, legte ihn dort hin und auf einmal durchzog es mich beim Aufrichten bis ins Mark, so dass ich kaum Luft holen konnte. Nur mit Mühe & Not konnte ich überhaupt atmen. Ich hatte das schon einmal vor 6 Wochen erlitten. Noch bevor man sich halbwegs aufrichtet, bleibt man noch in halbwegs gebückter Haltung, bewegt sich ein wenig, weil man denkt, es wird danach besser. Doch das genaue Gegenteil war der Fall. Bei -10°C hatte ich eine Art Hexenschuss erlitten und ich weiß bis heute nicht, was die Ursache dafür gewesen sein könnte. Sicherlich, dass ich die Wochen davor kein wirkliches Training mehr für meine Rückenmuskulatur getan hatte. Es war aber weder eine ruckartige Bewegung, noch war ich ausgekühlt oder hatte allzu schwer getragen. Die Schmerzen werden so unerträglich, dass es mir die Tränen in die Augen treibt. Es kommt noch dazu, dass man verzweifelt wird. Denn vor mir lagen noch 1.600 Höhenmeter und es konnte nur noch steiler werden. Absolut keine perfekte Grundlage mit diesen Voraussetzungen, die mir da geschaffen wurden. Von den einem auf den anderen Moment geriet alles außer Kontrolle. Ich hatte mich nirgendwo abgemeldet, außer bei meiner Freundin, meinen Eltern und einem Freund. Mir wurde bewusst, in welcher Situation ich hier & jetzt steckte. In solcher Situation abzuwägen, ob man den Aufstieg wagt und dann mit der Seilbahn herunterfährt oder den gesamten Weg zurück läuft stand für mich zur Diskussion. Immerhin dauerte meine Reise schon 8 Stunden an. Ich hatte also genau das Gleiche vor mir, was ich dachte hinter mir zu haben. In den Sekunden der Überlegung durchfloss die Kälte durch mich hindurch und nach Abwägung der Varianten, entschloss ich mich wohl für die Schlaueste. Das Bergabgehen war meiner Ansicht nach mit weniger Risikien verbunden, als der Aufstieg. Einerseits kannte ich den Weg schon, konnte mich also nicht verlaufen bzw. wurde vor keine unerwarteten Hürden gestellt. Zum Anderen hatte ich maßgeblich ein Ziel vor Augen. Wenn man eine Strecke schon kennt, ist man natürlich unmotivierter, dieselbe zurück zu laufen, als wenn man eine nicht bekannte Strecke läuft, aber das alles war alles andere als ein Kinderspiel. Und wenn ich eines vom Lesen erfahrener Bergsteiger gelernt habe, dann sind noch Die am Leben, die vor dem Gipfel umgekehrt sind, ihr Risiko richtig eingeschätzt haben und wohlbehalten zurückgekehrt sind. 

Was man sich jetzt absolut nicht leisten kann, ist es einfach nur dazusitzen und auf bessere Zeiten zu hoffen. Der Organismus darf nicht herunterkühlen und soll in Bewegung gehalten werden. Vom Hören-Sagen war mir auch noch bewusst gewesen, dass eines nach dem Hexenschuss besonders wichtig sei: Die Bewegung. Durch die bessere Durchblutung, kann der Heilungsprozess schneller von statten gehen. Ich packte mühsam die restlichen Sachen ein und atmete, als hätte mir jemand mit voller Faust in die Magengegend geschlagen. Der Rucksack stand auf den Holztisch. Sachte herauf gehievt, spannte ich ihn mir auf den Rücken. Jede Stufe die genommen wurde, jeder Fehltritt, den ich mir leistete, durchzog ein schrecklicher Schmerz, wie ein Blitz getroffen, meinen Körper und ich kugelte mich immer leicht zusammen. Ich kam langsamer voran, weil Ich vorsichtiger ging. Mühsame Stunden lagen vor mir und das Auto würde nicht vor Sonnenuntergang zu erreichen sein, dessen bin ich mir bewusst gewesen. Schritt für Schritt ging es bergab. Schritt für Schrittt, so dachte ich, werden es weniger Meter, wie damals beim Marathon, nicht an das Ziel am Ende, sondern in Einzeletappen denken. Kleine Abschnitte mit einer Verletzung zu schaffen ist weitaus motivierender, als nur dieses eine Ziel vor Augen zu haben, welches noch Kilometerweit entfernt lag. Dann waren da ja auch noch die Bäume, unter denen man kriechen musste, weil sie noch mit Schnee behangen waren. Langsam schüttelte ich die Bäume vom Schnee frei, die ich vorher umgangen hatte, denn an Bücken war nicht mal mehr zu denken. Nach ungefähr 1-2 Stunden verging der Schmerz langsam, aber stetig. Die Hoffnung war da, dass er schneller verschwinden würde und ein schnelleres fortkommen möglich erschien. Da ich sowieso vorhatte, eine Nacht in den Alpen zu biwakieren, entschloss ich mich bis zur ersten Hütte vorzudringen, zwei Stunden von der Partnachklamm entfernt. Nach ein paar Stunden schien ich sogar schon wieder so agil zu sein, dass ich Fotos von der Landschaft machte, welche sich jetzt wieder in einem ganz anderen Licht zeigte.

Nach nur 3 Stunden, es war so gegen 17:00 Uhr, erreichte ich mein Etappenziel. Ich war nicht wirklich müde, obwohl ich bis dahin 11 Stunden unterwegs gewesen war. Einige Stunden lagen noch vor mir und hier war die beste Stelle, um noch einmal Rast zu machen. Den Umständen entsprechend, packte ich meine 7 Sachen relativ schnell aus. Daunenschlafsack, Isomatte, Biwaksack, Kopfkissen. Dazu kamen noch die tollen, selbst gestrickten Wollsocken aus Finnland, die ich von meiner Expeditionsreise-Leiterin (gesponsert vom NORR-Magazin und VisitFinland) nach Joensuu geschenkt bekam. Wie bei meiner ersten Nacht, zog Ich mich bis auf die erste Schicht aus und grub mich in meinen Schlafsack ein, den ich wiederum in den neuen Biwaksack steckte, da ich davon ausging, dass der Biwaksack die Wärme schön reflektiert und es noch wärmer im Schlafsack ist. Ich hatte einen der besten Ausblicke, die ich jemals an einer Schlafstelle hatte und ließ mich von den dahinziehenden Wolken eindösen. Der Schneefall wurde auch wieder stärker. Riesige Schneeflocken sanken vom Himmel herab. Wenn ich jetzt länger bewegungslos auf einer Stelle lag und mich dann versuchte zu drehen, durchzog es mich wieder. Ich hatte zwar gegen den Schmerz anzukämpfen, aber ich hatte mich auch damit arrangiert. Langsam einnickend, zog ich alles zu. Mütze und Schlauchschal bewaffnet, guckten nur noch meine Augen aus dem Schlafsack heraus. Es könnten durchaus schon weniger als -10 Grad geherrscht haben. Die Vorhersage für den Gipfel betrug -22°C. Mein Schlafsack wäre da sicherlich an seine Grenzen gekommen  und Ich gleich mit. Der gute Yeti fängt bei -7°C an, geht dann in die Comfortzone von -14°C und endet bei einem Limit (Hypothermie) von satten -33°C. Ich wäre also nicht erfroren, den Zahlen nach zu urteilen. Ich schlief sehr gut, obwohl man das Ganze sicherlich nicht wirklich als Schlaf, sondern als Ruhen betrachten konnte. Ich wollte einfach nur Kraft tanken und diese Entscheidung war letztlich auch Gold wert. Gegen 19:30 wachte ich wieder auf. Es war jetzt wieder stockdunkel. Außer dem dahin rieselnden Schnee konnte man nichts hören. Es könnte ja doch mal vorkommen, dass sich ein einsamer Wanderer hierher verirrt hat, wie ich. 

Meine Aussicht vor dem Einschlafen


Bevor der letzte Abschnitt der Tour beginnen sollte, war mir danach, noch etwas zum Essen zu kochen. Im Rucksack war noch eine Handvoll Spaghetti und leckere Pesto. Einen Topf zum kochen war nicht dabei, also wurden die Spaghetti einfach zweigeteilt. Das Wasser besorgte ich mir aus der Umgebung. Als Topf diente mir mein Trinkbecher aus Edelstahl. Wenn man denkt, man füllt den Becher mit Schnee voll und denkt, das reicht für kochendes Wasser hat sich richtig vertan. Durch die veränderte Dichte des gefrorenen Wassers, benötigte man ungefähr 5-6 mal mehr Schnee. Als genügend Wasser im Behälter war brachte ich es zu kochen und fügte die Nudeln hinzu. Der Gaskocher funktionierte nicht wirklich optimal bei den niedrigen Temperaturen. Zum Glück war es nicht noch windig. Nach einer Weile waren die Spaghetti al Dente und ich konnte das Wasser abkippen und die Pesto hinzufügen. Selbst, wenn es nicht viel war, so war es ein Gaumenschmaus vom Feinsten. In der Zeit, in der das Wasser kochte, verstaute ich mein Equimpent in den Rucksack. Der Becher wurde mit Schnee gereinigt, um die Sauce abzubekommen. Keine wirklich schöne Angelegenheit, aber sie war dennoch notwendig. Es war gegen 20:00 Uhr und auf einem Richtungsweiser stand, dass es bis zur Partnachklamm noch 2 Stunden waren und von dort aus nur noch 1 Stunde bis zu meinem Auto. Es war zu schaffen. Dieses mal nahm ich meine extrastarke Kopflampe, die die Nacht zum Tag machte. Beim marschieren, spürte ich den Schmerz sogut wie gar nicht mehr. Wäre dem so an der Reintalangerhütte gewesen, wäre ich zuversichtlicher gewesen und hätte den Aufstieg gewagt. Das stand zu dem Zeitpunkt aber nicht mehr zur Debatte. Der Rückweg kam mir von dem Etappenstartpunkt doppelt so lang vor wie der Hinweg. Die herunterführenden Serpentinen wollten einfach nicht enden. Ab und an machte ich meine Stirnlampe aus und sah komplett gar nichts. Man konnte seine Hand vor Augen halten. Man war von kompletter Dunkelheit umgeben. Das tiefste Schwarz umhüllte mich. Nach und nach gelangte ich zur Partnachklamm. Mein Laufrhythmus schien zu stimmen, denn wie auf dem Anzeiger, schaffte ich es in exakt 2 Stunden bis dorthin. Nachts in den Alpen zu wandern hat auch seinen gewissen Reiz. Um schneller voran zu kommen, kann man sich anspornen, in dem man sich vorgaukelt, jemand sei hinter einem her. Ab und an spielte sich dieses Kopfkino auch bei mir ab, um die Motivation hoch zu halten. Es lenkte außerdem von der Einseitigkeit ab, wenngleich die Strecke abwechslungsreich ist. Gegen 23 Uhr erreichte ich mein Auto und war sichtlich froh darüber. Ich schaltete als erstes mein Handy ein, um meiner Freundin mitzuteilen, dass ich meine Tour abbgebrochen habe, mir es aber wieder gut geht und den Weg nach Hause aufnehmen werde. Mit bedauern stellte ich fest, dass es in den Bergen nicht möglich war zu telefonieren, geschweige denn eine Nachricht zu senden, denn das wollte ich zwischendurch. Erst am Auto hatte ich wieder vollen Empfang. Ich war also wirklich abgeschnitten in diesem wundervollen Wanderparadies und hatte dieses Mal mehr Verstand als Glück. Um 06:00 Uhr war ich gestartet und erreichte mein Auto 23:00 Uhr. Ich war also, abzüglich der 3 Stunden Ruhephase, 14 Stunden unterwegs gewesen. Satte Leistung.

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