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(1) Radfernweg : Berlin - Usedom

Etappe 1 - Vom Regen in die Traufe

Noch bevor ich meine Augen öffnen kann, vernehme ich das leise & beruhigende Tröpfeln auf den Brettern des Balkons. Dabei sagte der Wetterbericht eigentlich gutes Wetter voraus. Ich ziehe mir die Regenjacke an und schleppe 15Kg Gepäck vier Etagen das Treppenhaus hinunter. Der Fahrstuhl ist seit gestern defekt. Da von mir liebend gern ein paar Sachen vergessen werden, laufe ich noch öfter durchgeschwitzt hoch & runter. So wie es draußen aussieht, hoffe ich auf einen kurzen Regenschauer, der bald abklingt. Ich fahre gegen Neun Uhr aus dem Herzen von Berlin los und wünschte mir früher aufgestanden zu sein. Der frühe Arbeitsverkehr ist leicht anstrengend, doch zum Glück wird es nach einer halben Stunde spürbar ruhiger. Ich komme, trotz regens, in den ersten Genuss meiner 340km langen Tour von Berlin nach Usedom.

Verlauf: Berlin - Prenzlau - Ueckermünde - Peenemünde
Länge: ca. 337 km
Dauer:

3-6 Tage

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Nachdem man die Stadt hinter sich gelassen hat, wird die Landschaft schnell angenehm ländlich und ruhig. Es geht durch die wald- und seenreichen Gebiete des Barnimer Landes, der Schorfheide und der Uckermark. Ziel der Reise ist der Hafen von Peenemünde auf der Insel Usedom. Wenn man mit dem Auto durch Brandenburg fährt, kommt pures Unverständnis in einem auf. Auf gefühlt 100km stehen 100 Blitzer. Da ich jetzt mit dem Reiserad unterwegs bin, gehe ich davon aus, dass die Blitzereinnahmen in die Infrastruktur fließen, denn anders kann ich mir das bestens ausgebaute Radwegenetz in Brandenburg nicht erklären. Selbst in den Wäldern trifft man auf asphaltierte Wege. Der Regen stört kaum. Ich fahre durch die tiefsten Pfützen auf dem Weg. Das Geräusch der Räder, wie sie durch die Mini-Seen gleiten, das Wasser hochspritzen lassen und die nassen Reifen die Umgebung reflektieren ist für mich als Radfahrer mit das Schönste. Es herrscht kein Wind und so komme ich gut voran.

 

 

Auch wenn ich mit dem Navigationssystem (TEASI ONE 3) fahre, achte ich dennoch auf die Beschilderung des Radweges. Hier gibt es nichts zu beanstanden. Immer wieder trifft man auf Informationstafeln und Wegepfeiler, die einem den gewünschten Weg & Standort anzeigen. Das Fahrrad läuft rund eine ganze Weile rund, bis es anfängt zu knacken. Ich spanne bei einer Rast die Kette nach & besprühe alle beweglichen Teile mit WD-40-Spray. Das Allheilmittel, wenn es um Quietschgeräusche geht. Sorgen- und mit ruhigen Reifen fahre ich durch idyllische Dörfer. Die Luft ist super frisch und die Flora & Fauna hat mir einiges zu bieten. Das Vögelzwitschern wird durch den Frühling bestimmt. Die Bäume sind teils wieder grün und erzeugen des Feeling des Sommers. Dabei war 2 Wochen zuvor mit Temperaturen um die 0°C nicht daran zu denken. Das Regenradar zeigt mir nichts gutes. Das Regengebiet verschiebt sich sehr langsam richtig Nord-Nord-Osten und ich will es unbedingt bis nach Prenzlau schaffen. Die ganze Atmosphäre ist hier so elektrisierend, dass ich wortwörtlich erschlagen werde. Als ich unter einer Stromleitung entlang fahre durchzuckt es mich, als wenn ich an einen Weidezaun pinkle. Sowas passiert hin und wieder liebe Radfahrer. Man stirbt nicht davon, zum Leben brauch ich es auch nicht.

Ich lege einen Halt an einer Raststelle ein und mache mir mein gefriergetrocknetes Essen warm, trinke gefühlt die 5 Tasse Caramel-Krokant-Cappucino und will gerade den Müll in die Tonne schmeißen, als ich mich im Mülleimer eine Packung Leibnitzkekse anstrahlt. Noch in Folie verpackt und oben liegend. Ich denke zwei Sekunden nach und nehme mir die Packung, begutachte sie, reiße sie auf und esse alle Schokokekse auf. Was ist auch dabei? Nun sitze ich hier mit Durchfall und weiß nicht, ob es an den Keksen, dem Restessen vom Chinesen oder einer "normalen" Magen-Darm-Erkrankung liegt. Vielleicht auch an der Überanstrengung für den Körper. Ich fahre den Tag bis zu 170km und will/kann auch nicht mehr weiter. Auf einer Bauernweise baue ich das Zelt auf und hoffe darauf, dass es nicht mehr regnet, denn ich habe nur das Innenzelt eingepackt. Der Boden ist weich & vom Regen aufgeweicht; dennoch trocken genug, um hier seine Nacht zu verbringen. Durch die Kopflampe kann ich meinen Atem sehe. Es steht mir eine feuchte Nacht bevor. Die Sterne schimmern in der Dunkelheit sanft hervor und lassen mich in ruhigem Gewissen einschlafen. 

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